Mit der Selb­stein­schätzung ist es immer so eine Sache. Manch­mal ist sie total pri­ma, wenn man ver­sucht sich selb­st oder seine Arbeit real­is­tisch zu reflek­tieren und mith­il­fe von Selb­stkri­tik oder Selb­st­lob Selb­stver­trauen erhält. Manch­mal ste­ht einem die Selb­stein­schätzung aber auch im Weg, näm­lich dann wenn man um sich herum nur Leute hat, die einem in den Hin­tern kriechen oder per­ma­nent in diesen treten und die eigene Selb­st­wahrnehmung deswe­gen total verz­er­rt ist.


Was ist Blog-Zug?

Das Bew­er­tungssys­tem auf Blog-Zug ist z.B. ein gutes Beispiel dafür. Für alle, die noch nicht auf den Zug aufge­sprun­gen sind (ich weiß, schlechter Wortwitz), erk­läre ich das Sys­tem der Seite mal schnell:
 
Ihr reg­istri­ert euren Blog auf Blogzug und werdet dort in eine Daten­bank einge­tra­gen. Auf der Start­seite bekommt ihr immer wieder Blogs als Vorschaubilder angezeigt, die ihr besuchen und bew­erten kön­nt. Für einen Besuch oder eine Bew­er­tung erhal­tet ihr (als Besuch­er und/oder Bew­ert­er) Punk­te und steigt anhand dieser Punk­te in ein­er Ran­gliste auf.
 
Seit ihr irgend­wann in der Ran­gliste ganz nach oben gestiegen, erscheint euer Blog eine Woche als großes Vorschaubild auf der Start­seite. Natür­lich kön­nt ihr auch Geld bezahlen, um dort zu lan­den. Immer­hin wollen die Betreiber ja auch etwas verdienen.
 
Es gibt allerd­ings noch eine weit­ere Möglichkeit auf der Start­seite zu lan­den: Ihr kön­nt in den namensgeben­den Blogzug ein­steigen, der aus 16 Pas­sagieren beste­ht und eben­falls als kleines Vorschaubild auf der Start­seite abge­bildet wird. Jedes­mal, wenn ein Pas­sagi­er den Zug betritt, fliegt der älteste Blog­pas­sagi­er raus. Der Zug hat eben nur für 16 Pas­sagiere platz. Wer öfter mit der Deutschen Bahn fährt, ken­nt das ja. 
Es geht bei dem Konzept von Blogzug also darum seinen eige­nen Blog zu präsen­tieren und somit Besuch­er zu erhal­ten. Eigentlich hat die Bew­er­tung des eige­nen Blogs darauf keine Auswahl, da bis auf eine Aus­nahme alle gle­ich­berechtigte Mit­fahrer sind. (die Aus­nahme ist die Tat­sache, dass die Top-Blogs eben­falls auf der Start­seite in ein­er sep­a­rat­en Liste erscheinen)
 

Eine Hand wäscht die andere

Um jet­zt wieder Anschluss an das eigentliche The­ma des Beitrags zu find­en: Man kann andere Blogs auf ein­er Skala von 1–10 bew­erten. Wovon 0–5 schlechte und 6–10 gute Bew­er­tun­gen sind. 6 Ist beispiel­sweise ein “über­durch­schnit­tlich”, 7 ein “gut”.
 
Ich per­sön­lich bin ja jemand, der anderen Leuten nicht in den Arsch kriecht und auch mal Kri­tik übt, wo es sein muss. Der dabei aber immer stets fair bleibt. Also habe ich es tat­säch­lich gewagt, einige andere Blog­ger mit einem über­durch­schnit­tlich oder einem gut zu bew­erten. (bish­er war nichts darunter, weil die Blogs dort alle in Ord­nung sind) Stellt euch vor, wer wenige Stun­den später ziem­lich angepis­ste “Nach­barn” vor der Tür ste­hen hat­te. “Ich bekomme son­st immer nur 8er oder 9er. Deine Bew­er­tung ver­saut mir den Schnitt” “Wie unver­schämt kann man nur sein?” “Du machst das nur, damit dein Blog bess­er da ste­ht als mein­er, stimmts?” etc.
 
Kurze Zeit nach der Abgabe mein­er ehrlichen Bew­er­tung, hagelte es natür­lich “ehrliche” Revanche-Bew­er­tun­gen von 2 oder 3 Punk­ten für meinen Blog. Spricht man das The­ma dort im Forum an, find­et man auch schnell Lei­densgenossen. Das Faz­it: Wer andere Leute kri­tisiert, wird angepflaumt. Wer andere Leute lobt und fröh­lich Top-Bew­er­tun­gen verteilt, obwohl der Blog eben nur Durch­schnitt ist, erhält auch selb­st tolle Bew­er­tun­gen als Dankeschön.
 

Gleiches Problem bei Bewertungen auf Youtube

Schau ich jet­zt über den Teller­rand zu Plat­tfor­men wie Youtube oder Spie­len wie League of Leg­ends, in denen es zur Tage­sor­d­nung gehört, andere zu bew­erten und selb­st bew­ertet zu wer­den, ist es wirk­lich — sofern man Wert auf eine gute Bew­er­tung legt — von Vorteil anderen das Blaue vom Him­mel zu erzählen, nur um selb­st gut bew­ertet zu werden.
Die tollen Bew­er­tun­gen, die man dann durch seine Honig-ums-Maul-Schmier­erei erhält, sind natür­lich nicht ehrlich. Wer sich jet­zt aber denkt, man erhielte ehrlichere Bew­er­tun­gen, in dem man selb­st mit gutem Beispiel voran geht und Tacheles spricht, irrt. Selb­st bei abso­lut sach­lich­er und fre­undlich­er Kri­tik fühlen sich manche der­maßen auf den Schlipps getreten, dass sie dann kurz­er­hand ein­fach mal die gesamte Youtube Playlist des Kri­tik­ers mit dem berühmten roten Dau­men bewertet.
 
Was also tun? 
1. Schleimen? 
2. Kri­tisieren? 
3. Entwed­er loben oder gar nix sagen?