Vor unge­fähr 13 Jahren gewann ich mein Inter­esse an poli­tis­chen und gesellschaftlichen The­men. Zur der Zeit zogen bei den Mai-Demos Recht­sradikale durch unsere Stadt und Linksradikale bewar­fen diese mit Steinen und ver­wüsteten dabei — und bei den Kämpfen gegen die Polizei — Teile unser­er Stadt. Für mich zumin­d­est war das Grund genug, sich mal mit der gesamten The­matik auseinan­derzuset­zen. Ger­ade auch deshalb, weil ich viele linke Fre­unde hat­te und dementsprechend auch häu­fig in — zumin­d­est linksange­haucht­en — Bars, Kneipen, Musikver­anstal­tun­gen unter­wegs war.

Von Nazis und Antifa

Bei meinen Diskus­sio­nen fand ich raus, dass meine linken Fre­unde “die Nazis” natür­lich scheißen fan­den. Klar! Wer auch nicht? Die Fra­gen, die ich mir damals aber stellte — manche Linke wohl eher nicht — waren:

  • Was oder wer genau ist denn ein Nazi?
  • muss man die denn mit Steinen bewerfen?
  • muss man Polizis­ten mit Steinen bewerfen?
  • muss man dabei die Stadt verwüsten

Ger­ade im Bere­ich der Antifa bekommt man ja heute noch Unter­gangsszenar­ien aufgetis­cht: Wenn man jet­zt die bösen Faschis­ten nicht bekämpft, hat man spätestens mor­gen ein neues drittes Reich. Auf die Frage, wer denn “die Faschis­ten” sind, wurde einem dann erk­lärt, dass das alle Parteien außer “Die Linke”(damals WASG / PSD) sind. SPD, CDU, AFD — alles Faschis­ten. Polizis­ten alle krim­inell. Sol­dat­en alle Mörder. Und jeden von denen muss man natür­lich bekämpfen — not­falls mit Gewalt. Bei solchen Aus­sagen, ver­ste­he ich es abso­lut, wenn viele Recht­spop­ulis­ten, Kon­ser­v­a­tive  und ver­mut­lich auch die Polizei die Antifa als Link­sex­trem­is­ten ein­stufen. Das ist sehr verblendetes und gefährlich­es Gebrassel.

Damals hab ich bei solchen Sprüchen auch schon mit den Augen gerollt. Der NPD-Wäh­ler, der den Stein an den Kopf gewor­fen bekommt, wird dadurch sich­er nicht seine Mei­n­ung ändern. Der Polizist, dem das Gle­iche geschieht, wird sich­er nicht ver­ständ­nissvoller sein. Und der Bürg­er, der dann vor seinem Haus Sachbeschädi­gun­gen in 6‑stelliger Höhe vorfind­et, wird sich­er nicht begeis­tert darüber sein. Auch damals fand ich Pro­gramme wie Exit-Deutsch­land schon bei weit­em sin­nvoller als die “Nazis” ein­fach totzuschlagen.

Beson­ders natür­lich auch deswe­gen, weil “Nazi” für viele heutzu­tage nicht gle­ichbe­deu­tend mit den Massen­mördern von damals ist. Bei eini­gen reicht es schon aus, wenn man sich gegen ein Kopf­tuch in Berufen des öffentlichen Dien­stes ausspricht, um als Nazi zu gel­ten. Manche wollen Nazis sog­ar schon auf den ersten Blick erken­nen. Als damals vor etwa 11 Jahren ein kreb­skranker Fre­und mit uns einen Linken Jugendtr­e­ff besuchte, wurde er dort nach weni­gen Minuten als Neon­azi beschimpft, weil er auf­grund ein­er Chemother­a­pie eine Glatze hat­te. Solche Erfahrun­gen sind es, die dafür sor­gen, dass ich lei­der lachen muss, wenn mir jemand erk­lären will, dass Linke generell weltof­fen, tol­er­ant und men­schen­fre­undlich sind, während Rechte generell asozial, aus­gren­zend und feindlich gegenüber ander­s­denk­enden / ander­saussehn­den sind.

Solche Eigen­schaften haben nichts mit links oder rechts zu tun. Son­dern eher etwas mit der eige­nen Ein­stel­lung, dem Respekt und den Sit­ten gegenüber anderen Men­schen. Häu­fig wird ja auch immer­wieder betont, dass Link­sex­trem­is­ten unge­fährlich und Recht­sex­trem­is­ten höch­st­ge­fährlich sind. Ange­blich will ein Link­sex­trem­ist nur das Leben der (ärmeren) Men­schen verbessern. Da frag ich mich dann immer, was manche Leute für ein Bild von Link­sex­trem­is­ten haben. Wenn ich Link­sex­trem­is­mus höre, denke ich an RAF, an Angriffe auf Polizei oder andere Staat­sor­gane. Und nicht an irgendwelche linken Roman­tik­er, der von einem bedin­gungslosen Grun­deinkom­men und der Umverteilung von Ver­mö­gen träu­men. Genau deswe­gen darf man auch in Zeit­en, in denen wiedere­in­mal Flüchtling­sheime bren­nen, auch die linke Szene nicht aus dem Auge lassen.

Nicht links oder rechts, sondern der Hass zerstört

Als ich neulich mit syrischen Flüchtlin­gen am Tisch saß und das Gespräch auf den Bürg­erkrieg in Syrien gerichtet wurde, sagte ein­er von ihnen etwas, was meine Ein­stel­lung, die ich schon seit eini­gen Monat­en habe, bekräftigte. Er sprach davon, dass vor eini­gen Jahren Islam und Chris­ten­tum friedlich in Syrien zusam­men­lebten. Und das er es gar nicht ken­nt, dass zwis­chen bei­den Grup­pen so großes Mis­strauen herrscht. Dass er es nicht ver­ste­hen kön­nte, “wenn plöt­zlich der IS kommt und von einem ver­langt alle Ander­s­denk­enden zu töten. Wenn plöt­zlich Assad, die Rebellen oder die Kur­den kom­men und von einem ver­lan­gen, gegen das eigene Volk zu kämpfen.”

Und genau deswe­gen kann ich hier in Deutsch­land sehr gerne auf irgendwelche Schwach­mat­en — egal ob links, rechts oder mitte, egal ob religiös oder athe­is­tisch verzicht­en, die hier meinen andere zu irgen­deinem Kampf gegen XY anzus­tacheln. Die jet­zige Sit­u­a­tion — also AFD vs. Rest — halte ich für gesellschaftlich­es Gift. Und daran möchte ich mich nicht beteili­gen. Auch wenn ich es mag, die schwachsin­ni­gen Kom­mentare manch­er Pop­ulis­ten auf­fliegen zu lassen, werde ich weit­er­hin nie­man­den mit Steinen bew­er­fen. Ich werde nicht mit Totschlag-Belei­di­gun­gen wie “Dreck­snazi” oder “dum­mer Gut­men­sch” kom­men und werde auch son­st nicht dazu beitra­gen den Hass wegen irgen­deinem Zeug wie Haut­farbe, Reli­gion, Parteizuge­hörigkeit oder Deutsch­land­fäh­nchen weiterzuverbreiten.