Zu meinen Zock­er-Zeit­en von 2005 bis 2010 habe ich im Schnitt täglich unge­fähr 6 Stun­den damit ver­bracht Videospiele zu spie­len. Als Zivil­dien­stleis­ten­der bzw. Stu­dent gabs anson­sten auch kaum Verpflich­tun­gen. Oft hat­te ich bere­its nach 14 Uhr Feier­abend oder musste am näch­sten Tag erst um 13 Uhr auf der Arbeit bzw. in der Uni sein. Da kon­nte ich mehr als genug Freizeit in mein Hob­by steck­en und kon­nte dadurch größere Ziele anstreben. Sei es das Auf­steigen in Ran­glis­ten, die stun­den­lange Vor­bere­itung für Raids oder allemöglichen anderen lang­wieri­gen Aufgaben.

Das hat nicht immer Spaß gemacht. Oft musste ich mich richtig durch­beißen. Ich hat­te in 2006 rund 5 Stun­den damit ver­bracht, in WoW Felse­le­mentare zu töten, um deren Beute (Steine) bei Händlern zu verkaufen, damit ich mir mein erstes Reit­ti­er kaufen kon­nte. Ich hat­te unzäh­lige Stun­den damit ver­bracht irgendwelche Guides zu lesen, um in Coun­ter­strike bess­er zu wer­den, damit ich auch mal zu den Profis gehören kon­nte. Ich hat­te keine Prob­leme damit, mich in epis­che und kom­plexe Rol­len­spiele wie Nev­er­win­ter Nights zu stürzen, weil ich wusste: Selb­st wenn es hun­derte Stun­den dauert, ich werde das Spiel durchspielen.

Keine Zeit für Umstände

Heutzu­tage habe ich Prob­leme damit, ein Spiel fortzuset­zen, wenns mal eine kleinere Moti­va­tions­durst­strecke von 1–2 Stun­den gibt. Ich spiele grund­sät­zlich auf dem leicht­esten Schwierigkeits­grad durch, damit ich nicht Gefahr laufe, das Spiel nach 5 Stun­den abbrechen zu müssen, weil mir die Kämpfe zu lange dauern. Meinen let­zten Guide habe ich 2012 gele­sen. Und an größere Rol­len­spiele wie z.B. Divin­i­ty trau ich mich schon gar nicht mehr ran. Haupt­sache schnelle Erfolge und möglichst wenig Her­aus­forderung. Mein Spielver­hal­ten deckt sich mit dem all­ge­meinen Trend in der Spieleentwicklung.

Die Gründe dafür sind eigentlich auch recht ein­fach: Wenn die Zeit knapp ist, muss man zumin­d­est gut investieren. Wieso sollte ich mich dann durch eine Mil­itär­sim­u­la­tion quälen, wenn ich in Bat­tle­field oder Over­watch schnell und unkom­pliziert Spaß haben kann? Läuft es mal nicht so gut, schnell oder spaßig wie gedacht, fliegt das Spiel blitzschnell von mein­er Plat­te, damit ich mich wieder irgen­deinem “Casu­al­spiel” wid­men kann.

Die Nachteile liegen allerd­ings auf der Hand: Mir geht dadurch sehr viel Spiel­er­leb­nisse flöten. Seien es Inno­va­tio­nen in unpolierten Indi­etiteln oder die Freude darüber, endlich einen bockschw­eren Boss besiegt zu haben.

Mit Black Desert wieder Coregamerluft geschnuppert

Let­ztes Jahr kaufte ich mir ein MMORPG namens Black Desert. Ich war auch ein­er der ersten, die sich direkt in die Beta stürzten. Dabei raste ich — wie ich es von Casu­al-MMORPGS im Jahre 2016 gewohnt war — von einem Quest­ge­ber zum näch­sten. Möglichst schnell im Lev­el auf­steigen. Diskus­sio­nen mit NPC habe ich fast kom­plett über­sprun­gen. Die Mühe die Gegend zu erkun­den, habe ich mir auch nicht gemacht. Und mit den Spielmechaniken, habe ich mich auch kaum auseinan­derge­set­zt. Nach gut 4 Stun­den habe ich mein Faz­it gezo­gen: Ein weit­eres o8/15-MMO. Einen Tag später habe ich das Spiel wieder deinstalliert.

Vor gut zwei Wochen habe ich mehr aus Lang­weile als aus wirk­lichem Inter­esse das Spiel wieder ges­tartet. Da meine Frau in Sims 4 ver­tieft war und unsere Tochter schon im Bett lag, hat­te ich alle Zeit der Welt, mir das Spiel etwas näher zu betra­cht­en. Also habe ich mir meinen Tee geschnappt, habe mir einen neuen Charak­ter erstellt, habe im Spiel in aller Ruhe erst­mal jeden Stein umge­dreht und mit jedem NPC gesprochen, der etwas zu sagen hat­te. Dabei sind mir nicht nur viele kleine, tolle Details ins Auge gefall­en, ich habe auch erfahren, was das Spiel so beson­ders macht.

Ich habe ich in einem Min­ispiel Kühe gemolken. Die Milch wiederum wollte ich weit­er­ver­ar­beit­en und habe mich erst­mal 20 Minuten ein­ge­le­sen, wie das Berufesys­tem in Black Desert funk­tion­iert. Anschließend habe ich mir ein Haus am Meer gemietet und einen Herd hineingestellt, um etwas Bier zu brauen. Lei­der fehlte mir für das Gebräu Weizen. Der war auf dem Spiel­er­mark­t­platz derzeit lei­der ausverkauft. Also suchte ich mir einen Bauner­hof mit Weizen­feldern und ern­tete dort 10 Minuten lang Weizen. Weil ich zu schw­er beladen war, besorgte ich mir einen Esel, mit dessen Hil­fe ich die ganzen Weizen­ballen zu meinem Haus schaf­fen konnte.

Dort angekom­men bemerk­te ich, dass ich noch Wass­er für die Pro­duk­tion benötigte. Zum Glück war mein Haus direkt am Meer, sodass ich einen Wasserzu­gang direkt vor der Haustüre hat­te. Am Meer sind mir dann die ganzen Spiel­er beim Angeln aufge­fall­en. Nach 2 Minuten und einem Video­tu­to­r­i­al war ich dann ein­er von ihnen und ver­brachte die näch­sten 30 Minuten damit aller­hand Fis­che und teil­weise auch wertvolle Edel­steine in einem weit­eren Minigame an Land zu ziehen. Da der Fisch inner­halb von 24 Stun­den verdirbt, wollte ich ihn zum Trock­nen in die Sonne leg­en. Das hätte ihn halt­bar gemacht, auch wenn er dadurch an Wert ver­loren hätte. Lei­der war ger­ade Nacht. Da war dann nichts mit Trocknen.

Boot Black Desert

Wenig­stens kon­nte ich in der Nähe des Hafens einen Händler aus­find­ig machen, der mir den frischen Fisch gut bezahlt hat­te. Um den Händler herum standen mehrere spiel­erges­teuerte Kutschen, die Waren ein- und aus­lu­den. Wieder rief ich einen Guide auf, der mir das Han­del­sys­tem näher brachte. Der mir erk­lärte, wie ich mith­il­fe von Kutschen Waren von einem Dorf zum anderen brachte. Wie ich mit einem selb­st­pro­duzierten Fis­cher­boot auf hoher See angeln kon­nte. Wie ich NPCs anheuern kon­nte, die sich für mich auf die Felder und in die Stein­brüche stell­ten, um dort Rohstoffe abzubauen oder in meinen Werk­stät­ten Rüs­tun­gen anfer­tigten. Anschließend las ich über Hausti­er- und Pfer­dezucht. Wie ich mir meinen eige­nen Kriegse­le­fan­ten fan­gen kon­nte und dass mich Zelte in der Wüste vor lebens­ge­fährlichen Sand­stür­men beschützten.

Und da waren sie wieder. Diese beson­deren Erleb­nisse, die man hat, wenn man sich mal aus dem Casu­al-Ein­heits­brei befre­it hat­te. Nicht irgendwelche epis­chen Gegen­stände, die man nach fünf Stun­den von anspruch­slosen Boss­geg­n­ern hin­ter­herge­wor­fen bekommt, son­dern epis­chen Geschicht­en, die man selb­st erzählen kann, wenn man darüber schwärmt, wie man damals bei einem Com­put­er­spiel mit seinem müh­sam selb­st zusam­menge­baut­en Boot aufs Meer gefahren ist und beim Schatz­tauchen von einem Wal gefressen wurde.