Spiel an, Hirn aus?

Vor einigen Stunden führte ich ein kleine Diskussion im Gamersglobal Kommentarbereich zum Thema: Hirnlose Spiele. Damit sind nicht Zombie-Spiele (also Hirnlosen Spiele) gemeint, sondern die häufige Unterstellung, dass Videospiele dafür sorgen, dass sich das Hirn, wegen Nichtnutzung,  degeneriert. Quasi eine Casualisierungs-Diskussion im neurobiologischem Bereich. Die gleiche Diskussion kennt man bereits aus dem Fernsehbereich, in dem ja Sender wie RTL 2 und Co. als Verdummungs-TV bezeichnet werden. Es steht also die Behauptung im Raum, dass man durch Medienkonsum dümmer werden würde. Da stellt sich mir immer die Frage, ob man auch durch das Lesen solchen Behauptungen dümmer wird. Vermutlich nicht.

Unterschied zwischen Fernsehen und Videospiel

Wie die meisten von euch wissen, gibt es erst einmal einen grundlegenden Unterschied zwischen Film/Fernsehen und Spielen. Die Spiele sind Interaktiv. Man steckt mitten drin, muss sich Gedanken über seine Handlung machen. Und auch wenn es mir bei meinen Teamkameraden in Battlefield manchmal so vorkommt, sein Hirn komplett abzuschalten, ist einfach nicht möglich. Da werden beim Spielen also einige elektrische Signale zwischen den Synapsen hin und hergeschickt, die dafür sorgen, dass ich einem anderen Spieler aus 300 Metern Entfernung eine Rakete vor den Latz schießen kann. Beim Fernsehen ist das etwas anders. Man kann sich durchaus vor den Fernseher setzen und lässt zwar die optischen Reize auf sich einwirken, schaltet seinen Kopf aber weitestgehend ab. Kann man. Muss man aber nicht. Selbst bei „Ich bin ein Star, holt mich hier raus“ wird der ein oder andere Sozialpsychologe vor dem Fernseher sitzen und geistige Saltos schlagen.

Ich finde es aber um einiges leichter vor dem Fernseher abzuschalten, als bei einer Runde League of Legends. Weil, und das soll man kaum glauben, in stressigen Spielphasen mein Hirn auf Hochtouren arbeitet. Wie verhält sich der Gegner? Was wird er als nächstes tun? Stehe ich richtig? Was sollte ich als nächstes kaufen? Was machen meine Teamkameraden? etc. … und das dann 40 Minuten am Stück. Da komme ich ab und zu erschöpfter aus einem Match als aus den meisten Rechnungswesen Klausuren.

Selbst bei eher gemächlichen Spielen wie z.B. Civilization 5, muss man ab einem gewissen Schwierigkeitsgrad bei jedem Zug mitdenken. Man steht dann zwar nicht so unter Zeitdruck, aber wer einfach stundenlang stumpfsinnige Befehle gibt, wird am Ende verlieren. Und das möchte schließlich niemand. Es ist einfach nicht möglich sein Hirn beim Spielen komplett runterzudrehen und in einen Dämmerungszustand hinüberzugleiten.

Grinden bis zur Verblödung?

Der Kritiker verwies auf das Spielelement „Grinding“. Wer das nicht kennt: Beim Grinding geht es darum, die immer gleichen, anspruchslosen Aktionen auszuführen, um z.B. Gold anzuhäufen, Erfahrungspunkte zu erhalten oder einen bestimmten Gegenstand zu finden. Das Grinding ist gerade in MMORPGs allgegenwärtig. Bei EVE Online habe ich z.B. Asteroiden gegrindet. D.h. ich habe mein Bergbauraumschiff in einem Asteroidenfeld geparkt und alle 3 Minuten auf eine Taste gedrückt, damit die Laser mit der Arbeit begannen. Stumpfsinniger ging es nicht mehr. Da muss ich der Kritik ein klein wenig nachgeben. Da war eigentlich nicht viel Hirnkapazität gefragt. Aber statt vor dem Monitor einzuschlafen, habe ich das getan, was die meisten EVE Spieler in der Situation auch tun: Ich habe mich anderweitig beschäftigt. Ich habe meinen Abbauertrag ausgerechnet. Den Profit kalkuliert. Ein bisschen auf dem Intergalaktischen Markt gestöbert und mit meinen Freunden gechattet. Ich habe also, genau wie der Sozialpsychologe vor dem Fernseher, aus einer einfachen Arbeit etwas Komplexes gemacht.

Hirnnutzung = Spielspaß

Der springende Punkt ist aber die Antwort auf die Frage, warum ich das gemacht habe: Ich wollte mich nicht langweilen. D.h. der Spielspaß wird daraus gezogen, dass das eigene Hirn gefordert wird. Ich denke, das ist auch einer der Hauptpunkte in der ganzen Casual- vs. Coregame Diskussion. Die Leute wollen nicht unterfordert werden. Sie wollen nicht mit dem Gesicht über die Tastatur rollen und erfolgreich sein. Sondern wollen in Stresssituationen kommen, wollen Reaktionsvermögen beweisen und sich Gedanken um das Spiel machen, um sich so besser in das Medium vertiefen zu können. Hirnnutzung = Spielspaß Habt ihr noch andere Beispiele, für meine (viel coolere) These? Oder könnt ihr beim Spielen wirklich komplett abschalten?


Kommentare

17 Antworten zu „Spiel an, Hirn aus?“

  1. Also ich denke auch, dass Spiele durchaus das Denkvermoegen und zb das Verstaendnis von Physik pushen koennen. Jedoch gibt es aber auch Spiele, die zum abschalten einladen. Nach ein paar Minuten Tetris beispielsweise schalte ich da komplett auf Autopilot und kann wie beim joggen ueber die wichtigen Dinge des Lebens nachdenken. Ich finde man sollte sich generell einfach mal Gedanken machen wieso man gewisse Spiele spielt und was genau einem daran Spass macht. Dann hat man imho eine ganz andere Sicht darauf.

    1. Bei Tetris ? WTF. Da hab ich ja schon Probleme, wenn ich hochkonzentriert spiele.

  2. Ich glaub das Deutsche Fernsehen ist da weit schlimmer als ein Spiel.

    Mit einer Bekannten spiel ich derzeitig immer mal wieder Kniffel (So echt mit Würfeln). Das ist gut fürs Kopfrechnen. Man mag es gar nicht glauben.

    1. Aber nur bis 5×6. Hat mich also nur durch die Grundschule gebracht. Könnte man bei Kniffel noch irgendwie die Integralrechnung verweben, hätts mir im Abi echt geholfen 😀

      1. Dann mach dich mal an das Entwickeln von „Höhere Mathematik-Kniffel“
        Dafür gibt es sicherlich Abnehmergruppen 😉

      2. Man soll sich ja nicht gleich überfordern 😀

  3. Früher habe ich viele Strategiespiele gespielt. Ich bin mir sicher, dass sie mich nicht verblödet haben, sondern mir geholfen haben, taktisch besser zu denken. Grinding war meistens, wie du es bereits sagtest, eine Nebensache und das Mittel zum Zweck. Man braucht einfach bestimmte Mitteln, um an Geld zu kommen.
    Außerdem fand ich es toll, dass es immer Abwechslung gab im Vergleich zu Brettspielen. Es dauerte auch eine Weile, bis man ein ganzes Spiel durch gespielt hat.

    Jetzt spiele ich nur noch LoL und ich merke nichts davon, dass ich meinen Hirn ausschalte. Ich will ja schließlich gewinnen. (Aber bei meinem Glück mit Random-Spieler ist das eher ne Seltenheit -___-)

    btw, der bio-post ist schon seit ein paar Tagen online 😉

    1. Wenn du magst, kannst du mir mal deinen Beschwörernamen zukommen lassen. Dann können wir auch zusammen spielen. Ich bin nämlich immer auf der Suche nach Spielern, die nicht ständig ausrasten.

      Den Bio-post hatte ich schon gesehen. Hab euch im Feedreader. Konnte allerdings erst gestern antworten, weil ich mir vor der Antwort erst noch das Video anschauen wollte. Jedenfalls danke für eure Beiträge. Die helfen einem echt weiter.

      1. Schau mal in deinem fb-postfach nach =D

        Und danke, sowas liest man echt gerne. Es ist schön zu wissen, dass manche das sich durchlesen =D

  4. Ich habe erst vor ein paar Tagen meinen Skyrim Hochelfen hochgelevelt, währenddessen habe ich auf dem Crosstrainer Sport gemacht und Fernsehen geschaut, schlau macht das wohl auch nicht, die Zeit kam mir dennoch sinnvoll genutzt vor.

    Abgesehen davon bin ich voll deiner Meinung, habe mir auch bereits des öfteren Gedanken darüber gemacht ob nun TV dümmer macht oder doch das zocken, schon alleine weil ich meistens kaum eine Ahnung habe was ich am letzten Tag im TV gesehen habe aber jede einzelheit aufzählen könnte was im letzten Videospiel passiert ist, denke ich das TV schauen das Hirn weniger fordert.

    1. Waren Crosstrainer nicht diese Teile mit der Gehbewegung, bei denen man sich festhalten muss? Wie konntest du das Skyrim spielen?

  5. Na da schließ ich mich den Vorschreibern mal an. Wenn dann ist es wohl so, dass das sogenannte Trash-TV eher „verdummt“ oder unsere grauen Zellen weniger fördert und fordert als ein ordentliches Spielchen. Immerhin sind da doch recht komplexe Entwicklungen in so einem Spiel. Und selbst wenn es davon weniger gibt. Man ist aktiv dabei und lässt sich nicht berieseln wie beim Fernsehen.

    1. Eben. PS. immer wenn ich was von dir lese, bekomm ich spontan Lust auf Eis 😛

      1. Woran das wohl liegen mag. 😀

  6. In vielen Spielen mit Rollenspiel-Elementen gibt es Grinding.
    Besonders Rezepte, Materialien, Erf und Gold, verleiten zu dieser Spielweise.
    Häufig habe ich es besonders bei Asiatischen Spielen bemerkt (Japano-Grinder werden diese auch liebevoll genannt 😉 ).

    Grüße von
    John Tester

  7. Interessante Ansätze, die man so manchem mal zeigen sollte der Games verteufelt und sie als Zeitverschwendung betitelt.

    Ich glaube allerdings, dass es auf jeden einzelnen Gamer selbst ankommt wie er das Spiel nutzen will. Genauso auch bei Filmen und Serien. Wenn ich selbst bei banalen Frauen-Serien á la „Sex and the City“ oder „Greys Anatomy“ einen tieferen Sinn entdecken möchte, muss ich meine kleinen Gehirnzellen auch anstrengen 😉

    Bei diesem Thema einen Konsens zu finden scheitert an der Unmöglichkeit, ganz klar. Aber ich für meinen Teil finde es sehr beruhigend, dass es auch Menschen gibt die sich mit so einem Thema beschäftigen und Games nicht als Zeitverschwendung und/oder Verdummung abtun.

    Liebe Grüße und ein dickes Lob (ein interessanter und intelligenter Beitrag in der großen Blogger-Welt :))

    die Dincs

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