Wenn ihr manche mein­er Reviews lest, denkt ihr sicher­lich, dass mir viele Entwick­ler­stu­dios, viele Spiele oder viele Geschäft­sprak­tiken dort so richtig auf die Nüsse gehen. Dass ich einen per­sön­lichen Groll gegen Elec­tron­ic Arts, Activi­sion oder Steam hege. Aber nein, so ist es nicht. Ich wun­dere mich zwar, was für Dilet­tan­ten da teil­weise am Werk waren, aber ich nehm es ihnen nicht krumm. Generell bin ich jemand, der die meis­ten men­schlichen Fehler verzei­ht und deswe­gen nur in den sel­tensten Fällen Stre­it mit anderen Leuten bekommt.

Aber trotz mein­er Gut­mütigkeit habe ich seit vie­len Jahren einen per­sön­lichen Erzfeind. Die Deutsche Bahn. Und die hat diese Woche wieder den Vogel abgeschossen.

Bauarbeiten auf der Strecke Worms-Mainz

Alles begann damit, dass vor eini­gen Monat­en angekündigt wurde, dass auf der Strecke zwis­chen Worms und Mainz, auf der ich jet­zt seit 7 Jahren fast täglich pen­dle, Arbeit­en an 4 ver­schiede­nen Bahn­höfen durchge­führt wer­den. Es sollen die Bahn­steige erhöht wer­den, damit diese behin­derten­gerecht sind und es soll ein zusät­zlich­er Bahn­hof gebaut wer­den (mehr dazu gle­ich). Durch diese Bau­maß­nah­men fall­en 6 Wochen lang 90% aller Züge auf dieser Strecke aus. Es fahren lediglich mor­gens und gegen Abend ein paar Züge, um die Pendler zufrieden zu stellen. Anson­sten müsste man mit einem Schienen­er­satzverkehr fahren, der 3 Mal so lang benötigt, wie der reg­uläre Zug.

Kleine Geschichtsstunde

Allein die Ankündi­gung der Bau­maß­nah­men treiben Pendlern wie mir schon wieder die Zor­nes­fal­ten ins Gesicht. In den let­zten 6 Jahren, war jedes Jahr irgen­dein Mist, der dafür sorgte, dass wir mit mas­siv­en Ver­spä­tun­gen rech­nen mussten oder gar nicht erst am Ziel anka­men. Ich habe in dieser Zeit 3 Streiks erlebt, 2 Vollsper­run­gen wegen Bau­maß­nah­men oder per­son­elle Eng­pässe in den Stell­w­erken. Jed­er dieser Vor­fälle hat dafür gesorgt, dass Züge wochen!lang zu spät kamen. Mein per­sön­lich­es High­light war bish­er der Bahn­streik 2009 bei dem ein Mal der Zug auf hal­ber Strecke ste­hen geblieben ist und der Lok­führer die Fahrgäste dazu aufge­fordert hat irgend­wo mit­ten in der Pam­pa den Zug zu ver­lassen, weil er ab jet­zt streikt.

Organisationstalent: Deutsche Bahn

Aber wie dem auch sei. Jet­zt haben wir hier wieder den näch­sten Schla­mas­sel. Gut, dass die DB im Vor­feld darüber informiert und den Fahrgästen Broschüren zu den Bau­maß­nah­men und den Ersatzbussen bzw. ‑zügen zur Ver­fü­gung stellt. Mon­tags komm ich um 6:46 Uhr am Bahn­hof in Worms an und möchte meinen Zug erre­ichen, der laut Fahrplan im Inter­net und in der Broschüre um 6:53 Uhr los fährt. Um 6:47 Uhr fährt er mir direkt vor der Nase weg. Selb­st auf der däm­lichen Anzeigetafel am Bahn­hof stand: Abfahrt 6:53 Uhr. Kurz­er Blick auf den Aushang­fahrplan im Bahn­hof und schon sieht man, dass die Zeit­en im Inter­net, in der Broschüre und selb­st auf der däm­lichen Anzeigetafel falsch sind und der Zug in Wirk­lichkeit um 6:47 Uhr abfährt. Wun­der­bar. 30 Minuten auf den näch­sten Zug warten.

Immer­hin war der näch­ste Zug ein Express. Der benötigt nor­maler­weise um die 30 Minuten bis nach Mainz. Ich hätte es also lock­er pünk­tlich um 8 zur Arbeit geschafft. Dank der Bau­maß­nah­men, zwei Sig­nal­störun­gen und 3 Streck­en­ab­schnit­ten, die durch einen anderen zug belegt waren, kam ich statt um 7:47 um 9:20 in Mainz an. Fast 2 Stun­den Ver­spä­tung auf ein­er 30 Minuten Strecke. Das ist ein­fach nur erbärm­lich. Sich­er! Ein­ma­lige Aus­rutsch­er kön­nen passieren. Das wis­sen wir ja, seit den Katas­tro­phen-Dokus auf N24. Selb­st ein ange­lutscht­es Gum­mibärchen auf der Land­bahn, kann einen A380 zum Absturz brin­gen, wenn es zu ein­er “unglück­lichen Ver­ket­tung von Ereignis­sen kommt”. Trotz­dem hat­te jed­er mein­er Züge in dieser Woche min­destens 20 Minuten Ver­spä­tung. Und das obwohl bere­its eine baustel­lenbe­d­ingte Verzögerung von 20 Minuten in die Fahrpläne einkalkuliert wurde. Das kann es nicht sein. Und das alles für die 8 Roll­stuhlfahrer auf der Strecke (denen gönn ich das auch) … und für Dienheim.

Metropolregion: Dienheim

“Was ist Dien­heim?” werdet ihr euch jet­zt fra­gen. Das habe ich mich bis vor ein­er Woche auch gefragt. Und das, obwohl ich da schon seit 7 Jahren durch­fahre. Dien­heim ist ein Kaff mit 2000 Ein­wohn­ern, durch das zufäl­lig meine Bahn­lin­ie fährt. Das ist mir deswe­gen nie aufge­fall­en, weil Oppen­heim (das Dorf nebe­nan) zusam­men mit Dien­heim ein geschlossenes Stadt­ge­bi­et besitzt. Also nicht wie üblich: Dorf — Feld — Dorf. Son­dern Dorf — Dorf. Der sprin­gende Punkt ist: Oppen­heim hat einen Bahn­hof. Und der ist von Dien­heim Sage und Schreibe 2,5km ent­fer­nt. Welch­er Idiot baut wegen 2,5 km einen neuen Bahn­hof? Ich muss jeden Tag fast die gle­iche Strecke zu Fuß zum Bahn­hof latschen. Bekomm ich jet­zt auch einen eige­nen Bahn­hof vor die Haustür gesetzt?

Bahnhof Dienheim

Ja, ich weiß. Es gibt sehr viele alte und gebrech­liche Men­schen. Aber wie viele von denen müssen jeden Tag von Dien­heim aus zur Arbeit pen­deln? Ich geb euch nen Tipp: Bei 2000 Ein­wohn­ern und der üblichen Demogra­phie sowie Kranken­sta­tis­tik sind das vielle­icht drei Per­so­n­en. Der Hans (62) Der Klaus (67) und die Dag­mar (41). Grat­u­la­tion euch drei — für euren Privatbahnhof.

Fahrgastrechte: Geld zurück

Es gibt ja noch so etwas wie Fahrgestrechte. Die besagen z.B. dass man bei Zugver­spä­tun­gen über 60 Minuten einen Teil des Geldes zurück­er­hält. Man muss das ganze Pro­tokol­lieren, die Zeit­en erfassen. Als Pendler das ganze über einen Monat hin­weg. In eine Liste ein­tra­gen und an das Ser­vice-Cen­ter für Fahrgas­trechte der Deutschen Bahn schick­en. Wer dann eine Monatskarte hat, bekommt 25% des Karten­preis­es erstat­tet. In meinem Fall wären das dann um die 15 Euro. Wow. Einen Monat lang wegen Ver­spä­tun­gen ins­ge­samt über 6 Stun­den zusät­zlich in Zügen ver­bracht und 15 Euro als Entschädi­gung dafür. Ich sollte der Deutschen Bahn mal vor­rech­nen, was ich für die 6 Stun­den erhal­ten hätte, wenn ich sie auf der Arbeit, statt in ihrem Zug vebracht hätte.

PS. Vie­len Dank an die Lok­führer und anderen Fahrgäste, die durch die Störun­gen Mitlei­den und genau­so gen­ervt sind, wie ich.

Edit: Verlängerung

Mit­tler­weile hat die Deutsche Bahn auf diese Hor­ror-Zustände reagiert. Ihre Lösung ist so sim­pel wie genial: Sie Ver­längert ein­fach die plan­mäßi­gen Fahrzeit­en der Züge. Denn wenn auf dem Plan ste­ht, dass das so gewollt ist, dass der Zug ewig unter­wegs ist, kann kein­er mehr meck­ern. Und ver­liert natür­lich sein Recht auf die Fahrpreis­rück­er­stat­tung. Ihr seid ja so schlau!